Rückblick: Business Talk Black Sea Region „Georgien als Vorzeigereformland? Geschäftsumfeld und Politische Risiken für Unternehmen“
Seit der Reformära, v.a. gegen Korruption, unter Präsident Micheil Saakaschwili wurde Georgien wiederholt als sichere Businessdestination dargestellt. Das kleine kaukasische Land scheint ein Positivbeispiel für den postsowjetischen Raum zu sein. Jedoch stellt sich die Frage, ist Georgien wirklich dieses starke Reformland?
Forschungsfeld „Politisches Risiko für internationale Unternehmen“
Dr. Hannes Meißner, Senior Researcher am Kompetenzzentrum für die Schwarzmeerregion, erklärt die drei Risiken für Unternehmen im postsowjetischen Raum:
- Institutional Ambiguity: Die Geschäftspraktiken in der Realität widersprechen der Verfassung.
- Favouritism: Begünstigung von Familienunternehmen
- Systemische Korruption: die Herrscherelite nutzt das System aus, wie z.B. Kick-back-Zahlungen.
Die verschiedenen Phasen in der georgischen Geschichte seit 1991
Mag. Johannes Wetzinger, Georgien-Experte an der Fachhochschule des BFI Wien, erklärt die abwechslungsreiche Geschichte seit der Unabhängigkeit im Jahre 1991.
Die Ära von Eduard Schewardnadse war gekennzeichnet von sehr hohen politischen Risiken. Es wurde eine formale Transformation zur Marktwirtschaft durchgeführt, doch das gesetzliche Rahmenwerk wurde immer komplexer und widersprüchlicher . Die Korruption war tief verankert. Im Corruption Perceptions Index 2003 nahm Georgien Platz 124 von 133 Plätzen ein. Einschlägige Studien deuteten auf die Existenz von Korruptionspyramiden und den Verkauf von Posten im Staatsapparat hin.
2003 musste Präsident Schewardnadse im Zuge der Rosenrevolution zurücktreten und Micheil Saakaschwili folgte ihm nach. Das zentrale Ziel in dieser Reformära war die Stärkung des georgischen Staates.
Die ambivalenten Ergebnisse der Reformära Saakaschwilis
Die Reformen der Gesetzgebung und die Philosophie eines schlanken Staates sind wichtige Charakteristika dieser Ära. Das Steuersystem wurde radikal vereinfacht. Das Arbeitsgesetz wurde unternehmensfreundlich gestaltet. Die Reformen wurden dem Ease of Doing Business Index gezielt angepasst und mit starken Marketingkampagnen begleitet.
Durch neues Personal und Erhöhung der Gehälter wurde die Korruption auf niederen Ebenen der öffentlichen Verwaltung ausgeräumt. Korruptionsvorwürfe auf höheren Ebenen sorgten jedoch weiterhin für intensive Debatten.
Die Korruptionsbekämpfung wurde auch genützt, um Druck auf politische Gegner aufzubauen. . Zwischen Wirtschaft und Politik herrschte eine enge Vernetzung. Die Schattenwirtschaft wurde reduziert. Die Auslandsinvestitionen sind bis zum Jahr 2007 deutlich gestiegen.
Nichtsdestotrotz ist das BIP-Wachstum nur bedingt bei der Bevölkerung angekommen, und dies führt zu strukturellen Problemen.
Die EU-Georgien Beziehungen
Georgien ist eines der pro-europäischsten Länder in der Region. Die wichtigsten Schritte der letzten Jahre waren die
- Unterzeichnung eines Assoziierungsabkommens und die Vereinbarung einer Deep and Comprehensive Free Trade Area (DCFTA), die 2016 in Kraft getreten sind, und
- die Visaliberalisierung
Es gibt jedoch keine Beitrittsperspektive.
Fazit und Auswirkungen auf das Geschäftsumfeld
Die Korruption ist im Alltag und auf niederen Ebenen zurückgedrängt worden. Das zentrale Thema ist die Policy Uncertainty – eine schwer vorhersagbare Politik und Verzögerungen bei Gesetzesvorhaben.
Während auf nationale Unternehmen teilweise politischer Druck ausgeübt wurde, können internationale Unternehmen relativ frei agieren.
Viele Reformen der Amtszeit Saakaschwilis sind weiterhin in Kraft, mit dramatischen Veränderungen ist derzeit nicht zu rechnen.
Große Potentiale für internationale Unternehmen bieten der Energiesektor und der Tourismus. Auch positioniert sich Georgien als Hub nach Armenien und Aserbaidschan.
Leseempfehlung
Johannes Wetzinger hat den Beitrag „Political Risk Factors for the Business Environment in Georgia.“ im Sammelband „State Capture, Political Risks and International Business. Cases from Black Sea Region Countries.“, erschienen bei Abingdon: Routledge, verfasst.