Österreichische Unternehmen im Fadenkreuz geopolitischer Spannungen zwischen den USA und Russland: Der Bedarf an politischen Risikomanagementstrategien steigt.

STRATOS-Forschungskommentar von Johannes Leitner und Hannes Meißner

Die Beziehungen zwischen Russland und den USA haben schon entspanntere Zeiten erlebt. Die US Sanktionen gegen Russland sind aufrecht und weder innen- noch außenpolitisch deuten Indizien in Richtung Entspannung, eher im Gegenteil.

Die Beziehungen Österreichs zu Russland scheinen derzeit einen Höhenflug zu erleben. Österreich hat sich von den EU Sanktionen gegen Russland weitest möglich abgesetzt. Folglich zeigt sich auf politischer als auch auf wirtschaftlicher Ebene ein ungetrübtes Verhältnis. Schnell vergessen war die kurz inszenierte Aufregung über einen mutmaßlichen Spion im österreichischen Bundesheer.

Die Beziehungen Österreichs zu den USA sind im Augenblick weder besonders negativ noch besonders positiv. Dieses könnte sich aber aufgrund divergierender Interessen in Bezug auf Russland und der österreichischen Energiepolitik ändern.

Soweit ist das geopolitische Umfeld für Österreich und seine Unternehmen unproblematisch. Solange jedenfalls beide Sphären –in historischen Kategorien gesprochen Ost und West- isoliert voneinander betrachtet werden. Dennoch sind die geopolitischen Wechselwirkungen zwischen Russland und den USA durchaus relevant für Österreich und seine Unternehmen.

Die USA sehen Österreich zunehmend nicht als neutralen Akteur, sondern beobachten skeptisch die Rolle Österreichs und seiner wirtschaftlichen und politischen Aktivitäten mit Russland. Und weil eben auch unternehmerisches Handeln immer im politischen Kontext stattfindet, evaluieren US-amerikanische Investoren die politischen Risiken potentieller Investitionen in Österreich.

Und somit ist auch der Bogen zu den jüngsten Erfahrungen gespannt, die österreichische Unternehmen in den USA im Zuge einer Charmeoffensive zur Gewinnung amerikanischer Investitionen machen mussten: Skepsis und kritische Fragen zum Naheverhältnis Russlands. (vgl. https://derstandard.at/2000102127838/Oesterreichs-Naheverhaeltnis-zu-Russland-stoesst-in-den-USA-sauer-auf)

Politische Risiken im geopolitischen Kontext

Die Geschehnisse belegen eins: Multinationale Unternehmen bewegen sich immer auch in einem politischen Kontext. Dies gilt für ihr Heimatland, die ausländischen Märkte in denen sie operativen Tätigkeiten nachgehen, und die internationale Ebene. Damit sind politische Risiken verbunden. Unter solchen werden tatsächliche und potentielle Schäden für die operativen Tätigkeiten von Unternehmen verstanden, die vom Verlust von Geschäftschancen bis hin zum Verlust einer getätigten Investition reichen können.

Hier kommt in indirekter wie auch direkter Weise die Außenpolitik des Heimatlandes ins Spiel. Diese beeinflusst die Reputation des Landes und mithin seiner Unternehmen als Handelspartner und Destination für Investitionen. Gleichzeitig positioniert sie das Land im internationalen System, das sich durch Kooperationen und Konflikte auszeichnet. Welche politischen Risiken können sich in diesem Kontext manifestieren?

Ein Land kann zur Zielscheibe von Sanktionen werden, mit denen breite und in ihrer Auswirkung potentiell gravierende politische Risiken einhergehen. Unternehmen werden hierfür nicht selten instrumentalisiert, indem sie als Zielscheibe dienen. Dies gilt auch für Blaming- und Shaming-Attacken. Dass diese nicht allein von zivilgesellschaftlichen Organisationen und Medien ausgehen können, sondern in mehr oder weniger verdeckter Weise auch von der Administration eines Landes, haben zuletzt gerade die USA bewiesen. So wurde versucht, Unternehmen öffentlich an den Pranger zu stellen, die in Irangeschäfte verwickelt waren. Davon waren auch österreichische Unternehmen betroffen.

Im Fall der US-Sanktionen gegen Russland waren bislang ausschließlich jene österreichischen Unternehmen von den Sanktionen des Office of Foreign Assets Control (OFAC) des US-Finanzministeriums betroffen, welche mit sanktionierten Personen und Unternehmen der OFAC-Sanktionsliste Geschäftsbeziehungen unterhielten. Mit solchen Unternehmen dürfen weder natürliche noch juristische US-Personen Geschäftsbeziehungen unterhalten. Doch könnte diese politische Risikokonstellation weiter eskalieren?

Auszuschließen ist das nicht, denn die internationalen Beziehungen gestalten sich kurzfristiger und komplexer als je zuvor. Die Haltung der Trump-Administration zu globalen Fragestellungen gibt im Allgemeinen ein gutes Beispiel dafür ab. In diesem Sinn bedarf die weitere Entwicklung der USA-Russland Beziehungen im Speziellen auch einer genauen Beobachtung. Letztendlich hängt die zukünftige Sanktionspolitik von zahlreichen Faktoren ab, nicht zuletzt der zukünftigen Rolle Russlands in den Konflikten in der Ukraine, Syrien und Venezuela.

Wachsende politische Risiken für österreichische Unternehmen

Jedenfalls könnten Österreich und seine Unternehmen im Falle einer weiteren Eskalation verstärkt ins Fadenkreuz der USA geraten. Ein potentiell handlungsleitendes Dokument des amerikanischen Think Tanks „Center for Strategic and International Studies“ (CSIS) legt dies nahe. Es analysiert den ökonomischen Einfluss Russlands u.a. in Europa. Natürlich immer nach dem Freund-Feind-Schema, wobei Russland der Feind ist. Dabei identifiziert der Report in Europa drei „enabler“, das sind Länder, die Russland in seiner Politik bewusst oder unbewusst unterstützen. Neben den Niederlanden und Italien ist Österreich der dritte „enabler“ in dieser Troika. Somit stehen Österreich und seine Unternehmen im Fadenkreuz der amerikanischen Behörden.

Österreichs Unternehmen sind jedenfalls gut beraten, sich auf etwaige Szenarien vorzubereiten und politische Risikomanagementsysteme zu etablieren. Dies legt auch das OFAC nahe. Diese administriert und exekutiert sämtliche von den US Behörden implementierte wirtschafts- und Handelssanktionen. Unter die Autorität des OFAC fallen nicht nur US-amerikanische Unternehmen, sondern auch nichtamerikanische Organisationen, die Geschäfte in oder mit den USA durchführen, oder aber US Staatsbürger beschäftigen bzw. Produkte US-amerikanischen Ursprungs verwenden. Das OFAC legt Unternehmen ein umfassendes Compliance Programm nahe, das unter anderem ein klares, rigides und systematisches Politisches Risiko Management beinhaltet. Im Falle einer Evaluierung durch das OFAC wird die Implementierung eines systematischen politischen Risikomanagements als positiver Faktor angesehen.

Politische Risikomanagement-Tools

In diesem Gesamtkontext setzt das Forschungsprojekt STRATOS des Kompetenzzentrums Schwarzmeerregion an, denn Ziel ist die Entwicklung eines umfassenden Risikomanagement-Tools für Politisches Risiko, welches österreichischen Unternehmen in Zukunft zugutekommen wird.

Doch wie kann bisweilen ein systematischer politischer Risikomanagement Prozess ablaufen? Ein solcher erfolgt in drei Schritten:

Erstens: Unternehmen müssen den politischen Kontext ihrer Unternehmensstrategien und auch ihrer einzelnen Business Cases genau analysieren, um mögliche politische Risiken zu identifizieren. Das Management muss sich also die Frage stellen, welche politischen Entwicklungen, und welche politischen Stakeholder für das Projekt oder den Business Case ein Risiko darstellen könnten.

In einem zweiten Schritt muss das Management die identifizierten politischen Risikofaktoren analysieren. Die politischen Risiken müssen dahingehend evaluiert werden, mit welcher Wahrscheinlichkeit der politische Risikofaktor tatsächlich eintreten kann, und wie das Unternehmen, das Projekt oder der Business Case davon betroffen wäre.

Drittens muss das Management auf die jeweiligen politischen Risiken, entsprechend der davor evaluierten Priorität, angemessene Strategien entwickeln, um deren Realisierung bzw. negativen Konsequenzen abzuwenden.