Kurzinterview mit Jutta Sommerbauer – Autorin von „Die Ukraine im Krieg“
Jutta Sommerbauer, „Die Presse“-Journalistin, hat im Januar 2016 ihr hochspannendes Buch „Die Ukraine im Krieg“ veröffentlicht. Im Mai hielt sie ein Gastvortrag in unserem Wahlpflichtmodul „Black Sea Region“, der bei unseren Studierenden auf großes Interesse stieß. Wir sind sehr glücklich, dass Frau Sommerbauer uns für dieses Kurzinterview zur Verfügung stand!
Foto: Florian Kellermann
Jutta Sommerbauer
Studium der Politikwissenschaft in Wien und Huddersfield (GB). Seit 2008 Redakteurin bei der Tageszeitung „Die Presse“, erst Chronik, danach Außenpolitik. Zahlreiche Recherchereisen nach Russland, Weißrussland, in den Südkaukasus und nach Zentralasien. Seit dem Ausbruch der Ukraine-Krise immer wieder in Kiew, auf der Krim und in der Ostukraine unterwegs, auf beiden Seiten der Front. Ihre Berichte erscheinen auch in Zeit Online, Tagesspiegel und Stuttgarter Zeitung.
Kompetenzzentrum: Was waren die Beweggründe für Sie, dieses Buch zu diesem Thema zu schreiben?
Jutta Sommerbauer: Da ich für „Die Presse“ seit den Euromaidan-Protesten regelmäßig in der Ukraine war, habe ich viele Eindrücke und Material gesammelt, das in der Zeitung nicht publiziert wurde. Ich wollte diese Begegnungen, Interviews und persönlichen Eindrücke aber nicht in der Schublade verstauben lassen. Sie haben mich auch persönlich sehr beschäftigt. Daher kam ich auf die Idee, ein Buch zu schreiben, das einerseits einen Überblick über die Genese der Krise in der Ukraine gibt, und andererseits menschliche Schicksale in tiefergehender Form darstellt.
Kompetenzzentrum: Frau Sommerbauer, Sie schreiben in Ihrem Buch, die Lösung dieses Konflikts wird entscheidend sein für das zukünftige Verhältnis zwischen Europa und Russland. Was meinen Sie damit?
Jutta Sommerbauer: In dem Konflikt in der Ukraine ringen auch geopolitische Ordnungvorstellungen miteinander. Die Ukraine, die sich für eine stärkere Anbindung an den Westen ausgesprochen hat, wird von der derzeitigen Kreml-Führung als Einflussbereich beansprucht. Russische Politiker haben einen eigenen Begriff dafür: „Nahes Ausland“. In der Ukraine wird sich entscheiden, ob sich in Europa eine antidemokratische Politik des Zwanges und der Gewaltanwendung etablieren kann, oder ob Staaten am Rande der EU souveräne Entscheidungen treffen können, wie es ihnen laut internationalen Vereinbarungen eigentlich zusteht. Die Ukraine braucht Hilfe aus Europa, um ihre Freiheit zu verteidigen. In der Ukraine-Krise werden aber auch die derzeitigen Schwächen Europas sichtbar: Selbstzweifel, Zwietracht, Unentschlossenheit. Je entschlossener und einheitlicher die EU auftritt, desto besser für die Ukraine – und für die Zukunft Europas als ganzes.
Kompetenzzentrum: Welches Szenario sehen Sie am Wahrscheinlichsten für den Konfliktverlauf? Was müsste geschehen, damit es nicht zu einem „eingefrorenen Konflikt“ kommt?
Jutta Sommerbauer: Momentan ist der Konflikt im Donbass noch nicht eingefroren. Es mag zynisch klingen, aber ein „Einfrieren“ wäre – angesichts des Status Quo – nicht das Schlechteste aller möglichen Szenarien. Das „Einfrieren“ würde ein Hinausschieben einer Lösung bedeuten, aber zugleich auch ein Ende der Gefechte vor Ort – etwas, das die betroffene Zivilbevölkerung sich nach mehr als zwei Jahren Krieg sehr wünscht. Eine vollständige Eskalation ist zum heutigen Zeitpunkt eher unwahrscheinlich, kann aber nicht ausgeschlossen werden. Eine schnelle politische Lösung ist angesichts der stockenden Verhandlungen in Minsk leider ebenfalls nicht zu erwarten. Ich befürchte, dass der Konflikt niedriger Intensität (low intensity conflict), den wir derzeit beobachten, uns noch länger begleiten wird. Russland hat kein Interesse, den Konflikt vollständig zu lösen; die „Lösungsvorschläge“ des Kreml sind für Kiew nicht annehmbar. Gleichzeitig werden in der Ukraine Stimmen lauter, die sich für eine militärische Lösung stark machen bzw. das Abkommen von Minsk in Frage stellen.
Kompetenzzentrum: Planen Sie schon ihr nächstes Buch?
Jutta Sommerbauer: Ich habe ein paar Ideen im Kopf, allerdings sind diese noch nicht spruchreif. Ich kann nur so viel verraten: Thematisch werde ich meinem Berichtsgebiet treu bleiben.
Kompetenzzentrum: Herzlichen Dank für das Interview!
Kurztext
Nur zwei Flugstunden von Wien und Berlin entfernt, im Osten der Ukraine, herrscht Krieg, unterbrochen nur durch einen fragilen Waffenstillstand.
Die Lösung dieses Konflikts wird entscheidend sein für das künftige Verhältnis zwischen Europa und Russland.
Wie leben die Millionen Zivilisten im Kriegsgebiet? Sind sie kriegsbegeistert oder Kriegsgeiseln? Ist der Donbass nur ein Hort von Terroristen und Verbrechern? Dieser politische Report nimmt die Leser mit auf eine abenteuerliche Reise ins Innerste der beiden „Volksrepubliken“ von Donezk und Luhansk.
Er berichtet von ihren selbst ernannten Herrschern, die im Frühling 2014 wie aus dem Nichts auftauchten; von tschetschenischen Söldnern und russischen Soldaten , die für Geld und Ruhm in den Donbass gekommen sind. Er schildert den Alltag der leidgeprüften Zivilbevölkerung und erzählt vom unerklärten Bruderkrieg zwischen Russen und Ukrainern.
Dieser Krieg entwickelt sich zunehmend zu einem „eingefrorenen Konflikt“, der Europa noch jahrelang begleiten wird. Eine rasche Lösung des Konflikts ist nicht in Sicht.
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