Coop Himmelb(l)aus Opernhaus auf der Krim: Öffentliche Blame-und-Shame-Kampagnen können für Firmen weitreichende Folgen haben

Das geplante Opernhaus auf der Krim. (Foto: Coop-Himmelblau)

Durchdacht?

Gegen Sanktionsbestimmungen hat Coop Himmelb(l)au allen Anschein nach nicht verstoßen. Allerdings greift eine rein juristische Analyse des Geschäftskontexts zu kurz, denn neben der gesetzlichen Dimension spielt eben auch die Reputation, der Wertekanons eine wesentliche Rolle. Ob Coop Himmelb(l)au will oder nicht, dem Unternehmen werden von Interessengruppen bestimmte Werthaltungen aufgedrückt, nicht zuletzt, weil das Unternehmen aus einem „westlichen“ Land, aus der EU, aus Österreich kommt. Ohne hier eine Diskussion über den Status der Krim führen zu wollen, ist aus der Perspektive von Coop Himmelb(l)au zu fragen, wie strategisch dieses Unterfangen geplant wurde. Wie DER STANDARD mehrfach berichtet hat, plant das Architekturbüro für eine russische Stiftung ein Opernhaus auf der Krim.

Im besten aller Fälle hat sich das Architekturbüro nach einer objektiven Risikobetrachtung für die Durchführung des Auftrages entschieden. Und hat eine politische Risiko-Due-Diligence durchgeführt, als Teil davon den juristischen Sachverhalt analysiert, sich einen genauen Überblick über die zu erwartenden Konsequenzen verschafft und eine Strategie festgelegt, wie diese Risiken gehandhabt werden können. Nichts dagegen zu sagen, das könnte durchaus der Plan gewesen sein. Kurzfristig zumindest. Fatal jedoch wäre, wenn das Unternehmen in den Auftrag gestolpert ist, diesen Auftrag als rein architektonisch zu lösendes Problem ansieht, und nun vor einer unerwarteten Situation steht. Die Chance, hier in den nächsten Wochen und Monaten noch in weitere Fettnäpfchen zu treten, ist nicht zu vernachlässigen. Die ukrainische Botschaft in Wien ist jedenfalls bereits aktiv geworden.

Weitreichende Schäden

Der hier vorliegende politische Risikofaktor der ethischen Kritik kann grundsätzlich von zwei Seiten wirken. Zum einen, wenn ein Unternehmen in der öffentlichen Wahrnehmung als ein moralisch agierender Akteur betrachtet wird. Firmen finden sich in der Folge im Dilemma, zwischen Reputationspflege und Wahrnehmung einer Geschäftschance abwägen zu müssen. Mittel- und langfristig teurer zu stehen kommen in der Regel aber Reputationsschäden in Folge von Blaming-und-Shaming-Kampagnen, etwa durch das Wegbrechen von zukünftigen Aufträgen in anderen Märkten. In diesem Fall manifestiert sich unethisches Verhalten in einem ausländischen Markt häufig entlang von Korruption, Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden. Dieses als ethisches Fehlverhalten beurteilte Agieren mobilisiert letztlich gesellschaftliche Widerstände durch soziale Bewegungen und negative Medienberichterstattung.

Auch autoritäre Herrschaft ist mit Reputationsrisiken für international tätige Unternehmen verbunden. Der Volkswagen-Fall in der westchinesischen Provinz Xinjiang ist ein klassisches Beispiel hierfür. Im Jahr 2019 wurde die Firma der Komplizenschaft mit dem chinesischen Regime beschuldigt, nachdem sie angegeben hatte, über die Internierung der Uiguren nichts zu wissen, obwohl sie in der Region eine Fabrik unterhält. Die „Washington Post“ stellte in einem Beitrag hierzu fest, dass von einem „Unternehmen in Wurzeln mit Nazi-Deutschland“ ein „sensiblerer Umgang zu erwarten“ wäre. In einem weiteren Fall wurde der schwedische Mobilfunkbetreiber TeliaSonera der Korruption und Begünstigung der aserbaidschanischen Herrscherfamilie beschuldigt. (Hannes Meißner, Johannes Leitner, 20.12.2020)