Neuer Reformwind aus Kiew?

Die Ukraine hat einen neuen Ministerpräsidenten: Wolodymyr Hrojsman. Somit wurde vorerst das Gespenst von Neuwahlen abgewendet. Auch der neue Premier will Korruption, Populismus und die ineffiziente Verwaltung bekämpfen. Mit Hrojsman steigt der Einfluß von Präsident Poroschenko. Sollte jedoch auch diese Koalition scheitern, könnten die WählerInnen mit vorgezogenen Parlamentswahlen auch vorgezogene Präsidentschaftswahlen fordern. Ein Beitrag unserer Analystin Ewa Martyna-David.

Am 14.April hat die Werchowna Rada der Ukraine eine neue Regierung unter Ministerpräsident Wolodymyr Hrojsman gewählt und sein Programm angenommen. Mit dieser Abstimmung wurde die Regierungskrise beendet und das Gespenst von Neuwahlen abgewendet. Der bisherige Ministerpräsident Arseni Jazenjuk war zurückgetreten, nachdem die Reformen in der Ukraine ins Stocken geraten und er politisch unter Druck gekommen war.

Das neue Bündnis besteht aus der Partei des Staatspräsidenten, dem Block Petr Poroschenko, und der Volksfront von A. Jazenjuk. Allerdings haben mehrere Mitglieder der neuen Koalition das neue Kabinett nicht unterstützt. Die Mehrheit wurde folglich mit Stimmen der Abgeordneten der „oligarchischen“ Gruppen Volkswille und Wiedergeburt erreicht.

Der neue Premier Wolodymyr Hrojsman
By Steven13 (Own work) [CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

Ex-Ministerpräsident Arseni Jazenjuk
Bild: By An official employee of the U.S. Consulate General in Munich [Public domain or Public domain], via Wikimedia Commons

Die drei Prioriäten des Premierministers

Der neue Premier hob in seiner Antrittsrede drei Prioritäten hervor: den Kampf gegen 1) Korruption, 2) Populismus und 3) Ineffizienz der Staatsverwaltung. Die Korruptionsbekämpfung hat traditionell bei jeder Regierung Top-Priorität, die Umsetzung bis jetzt war jedoch mehr als dürftig. Der Grund dafür sind die Partikularinteressen der Oligarchen, deren Geschäftspraktiken mit diesem Phänomen verbunden sind.

Sergey Leshtschenko, Abgeordneter des Blockes Poroschenko und aktiver Journalist, hat es sehr treffend analysiert: Mit der Bildung einer Zweierkoalition konnte sie knapp auf 226 Stimmen kommen, um die formalen Kriterien für eine Koalition zu erfüllen. Wenn man sich vor Augen hält, dass das Parlament niemals eine 100%ige Anwesenheit hatte, bedeutet das, dass die Koalition einen zusätzlichen Polster von zumindest 20-30 Stimmen benötigen wird. Jede Stimme der Oligarchen wird etwas kosten.

Wer ist der  neue Premierminister?

Der 38-jährige Premierminister Hrojsman könnte aber in der Tat die Effizienz der Verwaltung erhöhen. Viele Kommentatoren wie Ron Synovitz von Radio Free Europe oder Viktorrja Zhuzan von Euromaidan Press loben seine damaligen Aktivitäten als Bürgermeister von Winnyzia, vor allem in den Bereichen Auslandsinvestitionen und der Modernisierung der Infrastruktur. Allerdings hängt Hrojsman der Ruf nach, Firmen aus dem Familienumfeld bei solchen Projekten bevorzugt zu haben. Als Sprecher des Parlaments hat er auch große Verdienste für die Dezentralisierung der Ukraine zu verzeichnen, wie der amerikanische Politologe Alexander Motyl festgestellt hat. Nichtsdestotrotz wird ihm aber vorgeworfen, Reformen eher zu blockieren.

Bei der Regierungsbildung hat er sich mit eigenen Kandidaten durchgesetzt. Im neuen Kabinett finden sich einige frühere Mitarbeiter aus Winnyzia: einer ist als stellvertretender Premierminister für die sezessionistischen Regionen in der Ostukraine verantwortlich, ein anderer ist Minister für Soziale Sicherheit.

Kein Platz für reformfreudige Expats in der neuen Regierung

Manche, wie der renommierte ukrainische Politologe Wladymyr Fesenko spekulieren, dass diese Geste Unabhängigkeit von Poroschenko zeigen soll, andere wie der parteilose Abgeordnete der Werchowna Rada Oles Donij sehen ein abgekartetes Schauspiel dieses Duos. Der Präsident würde einen unabhängigen Premier nie zulassen, sagte er im Fernsehprogramm Schuster Live. Es ist auch auffallend, dass in der aktuellen Regierung kein Platz für reformfreudige Expats oder ausländische ExpertInnen gefunden wurde. Dies muss aber nicht automatisch bedeuten, dass das neue Kabinett nicht zu Reformen bereit ist. Es bleibt abzuwarten, ob und wie die Zusammenarbeit mit internationalen Partnern weiter laufen wird. Die ersten Aussagen von Hrojsman, dass manche Forderungen des Internationalen Währungsfonds, insbesondere die Erhöhung der Gaspreise schmerzhaft aber nötig sind suggerieren, dass die neue Regierung die notwendigen Reformen ohne Nachverhandlungen weiter umsetzen wird.

Die Amtsübernahme von W. Hrojsman bedeutet die endgültige Übernahme der Verantwortung für die neue Regierung durch den Präsidenten. Sollte sie scheitern, wird er dafür hauptsächlich die Verantwortung tragen müssen. In einem solchen Fall wird die Wählerschaft im Frühjahr oder Herbst 2017 zusammen mit den vorgezogenen Parlamentswahlen auch vorgezogene Präsidentschaftswahlen fordern, meinen Tadeusz Olszanski und Tadeust Iwanski von Zentrum für Oststudien aus Warschau. Neuwahlen wären eine neue Chance, die „alte Garde“ durch Reformer zu ersetzen. Solche Volksvertreter könnten imstande sein, die Bindungen an Oligarchen brechen und die notwendigen Reformen im Interesse der ganzen Gesellschaft durchzuführen.