Die politische Beziehungen zwischen Österreich und Russland: Kaiserin Maria Theresia und die Zarinnen Elisabeth I. und Katharina II.

Das Jahr 2017 erinnert an den 300. Geburtstag von Maria Theresia und auch daran, dass Frauen an der Macht keine Erfindung unserer von Emanzipation geprägten Zeit ist. Zwei der mächtigsten Reiche Europas des 18. Jahrhunderts wurden lange Jahre von Frauen regiert: Die österreichische Monarchie über 40 Jahre von Maria Theresia (1740-1780), das russische Reich gleich von mehreren Herrscherinnen – Katharina I. (1725-1727), Anna I. (1730-1740), Elisabeth I. (1741-1761) und Katharina II. die Große (1762-1796).

Während Katharina I. und Anna I. vor Maria Theresia regierten, kam Elisabeth I. etwa ein Jahr nach Maria Theresias Regierungsantritt an die Macht. Für beide Frauen war der Beginn der Herrschaft nicht einfach: Bei Maria Theresia begann der Erbfolgekrieg und Elisabeth, jüngere Tochter Peter des Großen, kam nur durch eine Palastrevolution an die Macht.

Verwandtschaftliche Beziehungen

Es ist interessant zu sehen, wie sich die Beziehungen zwischen den beiden Reichen während der Herrschaft von Frauen entwickelt haben. Dazu kommt, dass Maria Theresia mütterlicherseits mit den Romanows verwandt war: 1727 wurde mit dem Enkel Peter des Großen, Peter II. ein Sohn ihrer Tante, also ihr Cousin Zar. In dieser Zeit entstand die österreichisch-russische Union. Dies war das Ergebnis der Politik  Peter des Großen, der Russland zu einem starken, politisch wichtigen Reich gemacht hatte und damit zu einem gleichwertigen Partner Österreichs.

Bei Maria Theresias Regierungsantritt kam in Russland eine proösterreichische Regierung mit Anna Leopoldowna als Regentin für ihren erst zwei Monate alten Sohn Iwan VI. an die Macht. Anna Leopoldowna war eine angeheiratete Cousine Maria Theresias und Iwan VI. ihr Neffe 2. Grades. Es herrschte großes Interesse, die alten Verträge und Verbindungen zwischen den beiden Reichen zu pflegen.

Kaiserin Elisabeth I. von Russland, Gemälde von Charles André van Loo, 1760

Vigilius Eriksen [Public domain], via Wikimedia Commons

Verschlechterung der österreichisch-russischen Beziehungen

Mit dem Putsch Elisabeth I. gegen Iwan VI. und seine Mutter verschlechterten sich die Beziehungen zwischen Wien und St. Petersburg. Eine Zarin Elisabeth war für die Habsburgerin nicht unproblematisch wegen deren Sympathien für die Feinde Österreichs, Frankreich und Preußen. Maria Theresia unternahm alles, um die Beziehung zwischen den beiden Reichen wieder zu verbessern. Aber dies erwies sich als sehr schwierig, da sich Friedrich II. sehr verlogen und intrigant Elisabeth gegenüber verhielt. Erst als russische Interessen verletzt wurden durch den Überfall Preußens auf Sachsen, dessen Kurfürst, gleichzeitig auch polnischer König, von Russland unterstützt wurde, gelang 1745  endlich die Annäherung zwischen Russland und Österreich, diese führte 1746 zu einem Bündnis.

Zarin Elisabeth wird Taufpatin von Leopold II.

Um die Beziehung zu vertiefen, machte Maria Theresia Elisabeth im Mai 1747 den Vorschlag, Taufpatin ihres Sohnes Leopold, zu werden. Elisabeth willigte unter der Bedingung ein, dass der erste Vorname des Knaben Peter sein soll. Peter Leopold wurde später Herzog der Toskana und nach dem Tod seines älteren Bruders Josef als Leopold II. Römischer Kaiser deutscher Nation. Von nun an marschierten Maria Theresia und Elisabeth als „Schwestern“ Hand in Hand gegen ihren gemeinsamen Feind.

Ein interessantes Artefakt erzählt über diese Freundschaft: Ein florentinisches Steinmosaik „Allegorie des Geruchs- und Tastsinns“. Dieses hat  Maria Theresia 1751 Elisabeth geschenkt. Es wurde später mit dem Bernsteinzimmer von den Nazis als Kriegsbeute aus Russland verschleppt und ist seitdem verschwunden. Trotz intensiver Suche weiß bis heute niemand, wo das Bernsteinzimmer verblieben ist, aber 1997 tauchte plötzlich dieses wunderschöne barocke Steinmosaik in Deutschland auf und wurde 2000 im Zuge von Kulturrückgaben an Russland zurückgegeben. Heute kann man es in Zarskoje Selo im rekonstruierten Bernsteinzimmer als einziges originales Stück sehen – das Geschenk der österreichischen an die russische Monarchin.

Mit dem Tod Elisabeths I. endet die „Schwesternschaft“

Die freundschaftlichen Beziehungen zwischen Österreich und Russland bewährten sich auch während des Siebenjährigen Krieges, wo unter anderem 1759 die preußische Armee eine empfindliche Niederlage durch die vereinigten Heere unter den Befehlen vom österreichischen Feldmarschall Laudon und dem russischen Feldmarschall Saltykow bei Kunersdorf erlitt. In diesem Jahr hatte Maria Theresia den Grund gehabt, das Jahrhundert der Frauen auszurufen.  Im Gegensatz dazu sprach Friedrich II. zynisch davon, dass er Krieg gegen drei Unterröcke geführt hat. Er meinte Maria Theresia, Elisabeth und Madame Pompadour, da auch Frankreich sich gegen Preußen gewandt hatte. Aber es ging nicht um weibliche Solidarität, sondern um kluge Politik,  die durch den Tod Elisabeths 1761 zum Schaden der beiden Reiche beendet wurde. Ein halbes Jahr Regierungszeit des Zaren Peter III., geborener Karl Peter Ulrich von Schleswig-Holstein-Gottorf, Sohn von Elisabeths Schwester und Karl Friedrich von Schleswig-Holstein-Gottorf, ein militärisch besessener Bewunderer Friedrich II., genügte, um die Bündnisverträge mit Österreich zu kündigen und alle bisherigen Erfolge der Koalition im Krieg gegen Preußen zu zerstören.

Zarin Katharina II.

Zunächst änderten sich die gespannten Beziehungen zwischen der Achse Wien St. Petersburg unter Katharina II. nicht. Maria Theresia, für welche die Ehe eine heilige Institution war, hielt nicht viel von Katharina und die Art, wie sie durch den Armeeputsch und die Ermordung ihres Gatten auf den Thron gekommen war.

Ein weiterer Grund der Missstimmung bestand darin, dass Katharina II.  nach dem Tod des polnischen Königs und Kurfürsten von Sachsen, August III., im Bündnis mit Friedrich II. Stanislaus Poniatowski als neuen König von Polen-Litauen durchsetzte. Mit dieser Rolle Polens als russisches Protektorat waren der polnische Adel und auch Frankreich sowie das osmanische Reich unzufrieden, was letztendlich zum Krieg zwischen Russland und der Großen Pforte (1768 – 1774) führte.

Polen wird aufgeteilt

In Wien war man über die Rolle Russlands in Polen nicht glücklich, mischte sich aber nicht ein. Trotz Drängens von Kanzler Kaunitz und Josef II. blieb  Maria Theresia bei ihrem Standpunkt: keine Kriegsteilnahme und keine Ausweitung der Grenzen. Aber sie stand in dieser Situation auch unter starkem Druck. Preußen und Russland einigten sich auf eine Teilung Polens mit Einbindung Österreichs um des Friedens willen. Josef II. nutzte die günstige Lage und handelte für die Habsburger ein großes Stück Polens aus, das Gebiet Galizien und Lodomerien.  Maria Theresia wehrte sich hartnäckig gegen die Teilung Polens, war aber auch nicht bereit hinzunehmen, dass Preußen und Russland sich alleine Vorteile verschafften. So kam es 1772 zum formalen Teilungsabkommen zwischen den drei Mächten.

Wir können die Handlungen dieser beiden Herrscherinnen des 18. Jahrhunderts nicht außerhalb ihrer Zeit beurteilen. Damals waren Eroberungen die Norm internationalen Rechts. Dank solcher Besitznahmen entstanden große Reiche. Maria Theresia und Katharina wollten einerseits keine Gebietserweiterungen, aber im 18. Jahrhundert war ein Verzicht auf Ländereien, die man erwerben konnte, wie ein Verrat ans eigene Reich. Maria Theresia schrieb in dieser Angelegenheit an ihren Sohn Ferdinand: „Diese schreckliche Teilung Polens kostet mich 10 Jahre meines Lebens. Ihr werdet sehen, wie unglücklich sich diese Affäre entwickeln wird. Wie oft habe ich mich dagegen gewehrt.“ Die Haltung Maria Theresias können wir mit der  zurückhaltenden und vorsichtigen Diplomatie Katharinas vergleichen.

Zusammenarbeit trotz fehlender Sympathien

Obwohl zwischen den beiden Monarchinnen keine Sympathie herrschte, entwickelten sich die Beziehungen Österreich-Russland zu guter Zusammenarbeit. Viel beigetragen dazu hat der russische Botschafter, Fürst Gallitzin, der auch die Reise Josefs II. nach Russland und das Treffen mit Katharina mit vorbereitete.

Josef II. ist Feuer und Flamme für Russland

Von April bis August 1780 reiste Josef II inkognito als Graf Falkenstein gegen den Willen seiner Mutter nach Russland und traf dort Katharina II. Ziel dieser diplomatischen Unternehmung war, die Annäherung der beiden Reiche voranzutreiben. Durch den täglichen Briefwechsel mit seiner Mutter wollte Josef ihr vergeblich Russland und Katharina näherbringen. Josef war nach seiner Rückkehr trotz einiger Kritikpunkte Feuer und Flamme für alles, was er in Russland gesehen hatte. Er bezeichnete Katharina sogar als die größte Herrscherin des Jahrhunderts, was Maria Theresia emotional als demütigend empfand. Hier sprach mehr eine müde streng katholische und übertrieben moralische Frau als eine kluge Politikerin. Sie wollte nicht mehr zur Kenntnis nehmen, dass die diplomatische Initiative ihres Sohnes eine Annäherung und stärkere Bindung zwischen den beiden Reichen brachte, die bis Ende des 19. Jahrhunderts andauern sollte.

Zusammenfassung

Der kurze Überblick auf die Entwicklung der Beziehungen zwischen der österreichischen und russischen Monarchie während Frauenherrschaften zeigt, dass unabhängig davon, ob Frauen oder Männer herrschen, persönliche Abneigungen und Emotionen Schaden bringen, allerdings kluge Politik und persönliche Sympathie dem Wohle der betroffenen Länder dienen.