Politische Bruchlinien bedeuten potenziell erhöhte Kosten. Eine Studie aus Österreich zeigt, dass multinationale Firmen aber nur selten ihr Wissen über die politischen Rahmenbedingungen für ihre Geschäftsstrategie in Osteuropa heranziehen – und somit Geschäftspotenzial vergeben.

Es ist ein ausgesprochen innovationsloses Bild, das die Studie unter 200 österreichischen Top-Unternehmen bei den Instrumenten zur Evaluierung politischer Risikofaktoren zeigt. Geschäftsrisiken werden allgemein schon evaluiert; je spezifischer es jedoch um die Evaluierung politischer Risiken geht, desto weniger finden speziell für politisches Risiko entwickelte Instrumente Anwendung. Oder anders ausgedrückt: Fast alle multinationalen Unternehmen errechnen Investitionsmodelle, aber nur etwa 20 Prozent arbeiten mit Instrumenten, die konkret zur Darstellung politischer Risiken entwickelt wurden. Untersucht wurden neben Unternehmen mit österreichischen Eigentümern auch deutsche, US-amerikanische, japanische und weitere internationale Firmen, die vom österreichischen Unternehmenssitz aus Tochtergesellschaften im Ausland verwalten.

Zwei Charakteristika prägen das Bild der Untersuchung: Zum einen ist das Management politischer Risiken zumeist Aufgabe mehrerer Abteilungen. In kaum einem Unternehmen existiert dafür eine eigene Einheit. Zum anderen geben 80 Prozent der Firmen an, dass politische Risikothemen dem Top-Management berichtet und auch dort bearbeitet werden. Lediglich ein Drittel der befragten Unternehmen greifen auf politische Risikoanalysten zurück.

Devise: Finger weg

Eine Konsequenz einer solchen Vorgehensweise drückt sich in Vermeidungsstrategien aus. Laut der Studie vermeiden mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen grundsätzlich Investitionen in riskanten Ländern. Mehr als zwei Drittel der Unternehmen geben an, Investments in riskanten Ländern zu reduzieren oder Märkte in entsprechenden Fällen sogar zu verlassen (65 Prozent). Natürlich kann Risikovermeidung eine sinnvolle Strategie darstellen. Dennoch weisen schon Ergebnisse früherer Studien darauf hin, dass eine stärkere Ausdifferenzierung des politischen Risikomanagements in einer feineren Abstimmung der Strategien münden kann. Die Ergebnisse der Studie sowie begleitende Forschungsgespräche bestärken das Bild, wonach multinationale Unternehmen Marktchancen vielfach ungenutzt lassen, weil sie politische Risiken als untragbar ansehen.

Gleiche Normen, gleiche Chancen

Qualitätsbasierte Wettbewerbsvorteile scheitern in Osteuropa und Zentralasien aber oftmals auch an schwachen lokalen Regularien und Standards. Wenn solche lokale Sicherheitsnormen niedrig sind, die Unternehmen aber zugleich den Codes of Conduct westlicher Kunden entsprechen müssen, geht es darum, Kostennachteile gegenüber lokalen Konkurrenten durch ein level playing field wettzumachen. Es kommt also darauf an, auf politischer Ebene für eine Anhebung der Standards zu lobbyieren.

Um hier erfolgreich zu sein, müssen multinationale Unternehmen die lokalen politischen Prozesse und Akteure verstehen. Dabei sind zwei Dinge wichtig: Erstens die Informationsbeschaffung und -bündelung durch intensives Engagement mit lokalen und überregionalen Interessensvertretungen, die laut Studie nur etwa 45 Prozent der Unternehmen nutzen. Zweitens gibt nur etwas mehr als die Hälfte aller befragten Firmen an, überhaupt Lobbying zu betreiben. Spagat zwischen Brüssel und Moskau Normierungen und Standardisierungen sind wesentliche Instrumente zur Etablierung von Wirtschaftsräumen. In Armenien, Georgien, Belarus, der Republik Moldau und der Ukraine beispielsweise zeigt sich das Dilemma zwischen EAWU und
EU im Spagat zwischen Moskau und Brüssel. Zugleich gibt es ein enormes Potenzial im systematischen Management politischer Risiken. Wenn diese Möglichkeiten genutzt werden, dann können auch Marktchancen in Ländern genutzt werden, deren politische Bruchlinien bei einem undifferenzierten
ersten Blick als zu riskant erscheinen.

Patricia Klopf
Rotterdam School of Management

Johannes Leitner
Hannes Meissner
Fachhochschule des BFI Wien GmbH

Dieser Beitrag wurde mit freundlicher Genehmigung des owc Verlags veröffentlicht und ist in der aktuellen Ausgabe OstContact 1/2020 erschienen.